Kapitel 2b: 25 Jahre später

Drückt aufs Knöpfchen für Auflegen.
« Man o man, was war das mal für ein Wirtschaftspotenzial. Dann verpassen die den Schuss für eine koordinierte und vernünftige Vorgehensweise. Reiben sich in ihrem unsinnigen Konkurrenzgehabe auf, bestechen sich gegenseitig, so das am Ende jeder jeden bestochen hat. Es ist wie beim Schwarze Peter Spiel. Wer nicht aufpasst, der hat am Ende den Schwarzen Peter. Oder wie dieses Spiel an Kindergeburtstagen, wo zehn Kinder mit Musik um neun Stühle laufen. Hört die Musik auf, muss jeder zusehen, einen Stuhl zum Setzen zu erwischen. Einer bleibt immer übrig und der fliegt raus.
Korruptheit hat eine unangenehme Eigenheit. Erhaltene Bestechungsgelder bleiben nur wenige Augenblicke in der eigenen Tasche. Oft müssen diese Gelder schnell in die Taschen der Nächsten gesteckt werden, um zu bekommen, was dem Primärkorrupten versprochen wurde. Manche wurden schon so oft bestochen, dass ihre Hintern einem Nadelkissen ähneln. Es scheint, als verfährt man dort nun nach einem Motto aus unserer alten Zeit: Jeder macht, was er will, keiner macht, was er soll, aber alle machen mit.»
Es klingelt erneut. Abnehmen und Zuhören.
«Wie bitte?! Wir sollen nun dafür sorgen, dass dort kein Unsinn passiert. Ihr befürchtet, ein in die Enge gedrängeltes Tier könnte noch einmal richtig bissig werden? Ja wie denn? Da müsste so was wie ein Wunder geschehen. Zum Beispiel das jemand barfuß über den Tegernsee läuft. Sehr unwahrscheinlich. Eher gewinnt doch ein 80-Jähriger den nächsten olympischen Marathon, bevor diese Wirtschaft dort noch mal auf die Beine kommt.»
Zuhören.
« Wir sollen dieses Durcheinander auf Linie bringen? Mit Zuckerbrot und Peitsche? Vielleicht könnte sich unsere sozialistische Mitbestimmung dafür eignen. Sie dürfen in Zukunft mitreden. Sagen wir, ob es in der Kantine 2 oder 3 Wahlessen gibt.»
Zuhören.
«Ist ja gut, ist ja gut, sollte als Witz aufgefasst werden. Wir haben es geschafft, den Arbeitern ihr Diktatorenempfinden auszureden und es gegen das Gefühl einer Mitbestimmung einzutauschen. Natürlich, ohne dass sie mitbestimmen können. Das war nicht ganz einfach.»
Zuhören.
«Genosse Minister, ich versuche zu verstehen. Nachdem wir einen alten Slogan verwirklicht haben, also überholt haben, ohne einzuholen, sind quasi im Slalom vorbeigefahren, sollen wir denen jetzt beibringen, wie das geht? Könnte es nicht sein, die lernen das schneller, als es uns recht ist? Wechseln auf eine andere Überholspur und wir haben die Arschkarte gezogen? Also, wie können wir dem vorbeugen, ohne dabei nach hinten zu fallen.»
Zuhören.
«O, da hast du mich jetzt wieder schlimm falsch verstanden. Nee, nee, ich will nicht zweifeln. Wie kommst du denn auf so eine Idee? Die erste Pflicht eines staatlichen Managers ist es, keine Zweifel zu haben. Er hat nur eine Aufgabe: Gewinn zu machen. Dafür wird er gut bezahlt. Hat er Zweifel am Großen und Ganzen, wird er nicht weiter gut bezahlt. Alles klar. Keine weiteren Zweifel und auch keine Fragen!»
Zuhören und leises Murmeln.
«Diese blöden Chinesen mit ihrem Kodex für Wirtschaftskader. Gutes Geld, solange der Laden läuft. Reisanbau in Tibet, wenn es nicht mehr gut läuft. Dort gedeiht Reis nur sehr schlecht. Blödmänner! »
Laut.
„Wohin soll ich mich bewegen? Nach Emden? Wo liegt das denn?“
Zuhören.
« Wo? In Ostfriesland? Das meinst du aber jetzt nicht im Ernst. Was habe ich denn falsch gemacht? Der Laden läuft doch fantastisch. Wir sind Weltmarktführer auf dem Gebiet Industrierobotertechnik. Also was soll ich in dieser Kalmückensteppe?»
Er hält das Handy zu.
«Also dieser Privatkapitalismus, der hat auch seine guten Seiten. Nach Ostfriesland delegieren, das gäbe es im Privaten nicht. Scheiß Staatskapitalismus.»
Gibt das Handy wieder frei. Zuhören.
« Gut gut, ich habe den Wink mit dem Zaunpfah verstanden. Ich weiß, was mit dem armen Günther geschehen ist. Der soll jetzt irgendwo in der Nähe von Pritzwalk, für die weitere Erhöhung der wirtschaftlichen Eigenständigkeit der LPGs verantwortlich sein. Eine echte Scheißaufgabe. Man befürchtete ja fast einen Bauernkrieg. Bis dahin war doch keine LPG einer anderen LPG ein Dorn im Auge und plötzlich waren alle Konkurrenten des anderen. Es gab keine Subventionen mehr. Jetzt musste gezeigt werden, wie schnell ein Bauer sein kann. Das ging nicht sofort nach vorne los.»
Zuhören.
«Wahrheit? Genosse Minister, schon immer machte nur die leichte Andeutung, die Wahrheit sagen zu wollen, sehr nervös. Da musste auch mal jemand in Libyen in einem Hubschrauber herumfliegen. War kein guter Hubschrauber.»
Zuhören.
«Kennst du die Story nicht. Ein gewisser Werner Lamberz, Mitglied des Politbüros. Der ist damals in Libyen mit dem Hubschrauber abgestürzt. Tod! Man munkelte, dieser Mann war zu intellektuell, zu eloquent für das damalige Politbüro. Danach wollte kein Politbüromitglied in einen Hubschrauber steigen. Nur die Erwähnung des Wortes Hubschrauber ließ die Genossen sofort mehrere schlimme Fehler eingestehen. Selbstkritik nannte man das damals. Manche waren sogar bereit, für einige Zeit in einen Schwerpunktbetrieb der Volkswirtschaft zu gehen. Das war wie Selbstmord auf Raten. Nur nicht in einem Hubschrauber fliegen müssen – bitte, bitte nicht.»
Zuhören.
«Ostfriesland! Liegt das noch in Europa? Fährt dorthin ein Zug? Gibt es da schon Straßen. Kann ich mit dem Auto hinfahren. Eins sage ich dir - kein Hubschrauber.»
Zuhören.
„Ja, ja ist gut. Ich gehorche, wenn es denn sein muss. Aber da würde doch der GD des Kombinates Energieversorgung viel effektiver wirken können.“
Zuhören.
«Nun, wenn du mich so fragst, als Alternative könnte ich mir vorstellen, die Börse in Frankfurt in einen gut florierenden VEB Wertpapierhandel umzuwandeln. Das ist doch auch eine wichtige Aufgabe, oder? Ich war zwar einige Zeit nicht mehr drüben. Dieses Frankfurt soll sich zum Palermo des Nordens gemausert haben. Durch und durch mafios. Aber das könnte man regulieren.»

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